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Samstag, 7. September, 2024

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Neuinterpretation von Goethes “Stella” begeistert in Dorsten

Dramatische Aufführung im Cornelia Funke Baumhaus wirft neues Licht auf klassische Konflikte

Die jüngste Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes "Stella" durch das Ensemble Histriones Dorsten unter der Regie von Thomas Boos hat im Cornelia Funke Baumhaus für Aufsehen gesorgt.
Die jüngste Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes “Stella” durch das Ensemble Histriones Dorsten unter der Regie von Thomas Boos hat im Cornelia Funke Baumhaus für Aufsehen gesorgt. Bild: Anke Klappsing-Reich

Rezension über die Premiere des Theaterstückes “Stella” von Johann Wolfgang von Goethe im Cornelia Funke Baumhaus Dorsten von Bertold Hanck

Die jüngste Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes “Stella” durch das Ensemble Histriones Dorsten unter der Regie von Thomas Boos hat im Cornelia Funke Baumhaus für Aufsehen gesorgt. Mit einer mutigen Neuinterpretation, die die Figur Lucie in den Mittelpunkt rückt, bietet diese Inszenierung eine frische Perspektive auf das klassische Drama der Liebe und des Verrats.

Goethe heute – Vatermord als Lösung?

Vor rund 250 Jahren war der junge Goethe Skandalautor, ausgelöst durch politisch radikale Kritik im „Götz“ sowie gesellschaftlich-moralisch Unerhörtes im „Werther“ und in seinem Schauspiel „Stella“.

Seine Lösung, den Gefühlskonflikt zwischen dem verheirateten Fernando, dessen Ehefrau und der Geliebten Stella durch eine Ehe zu dritt zu beenden, führte zu scharfen Reaktionen bis hin zum Aufführungsverbot in Hamburg: „Die, die Hurerei und Ehebruch (…) reizend vorstellen, wird Gott richten.“

Goethes “Stella” neu interpretiert: Ein klassisches Trauerspiel mit modernem Twist

In seiner „klassischen“ Phase schrieb Goethe das Stück als Trauerspiel um; es töten sich Stella und Fernando, Cäcilie bleibt verzweifelt mit ihrer Tochter Lucie zurück.

Die jüngste Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes "Stella" durch das Ensemble Histriones Dorsten unter der Regie von Thomas Boos hat im Cornelia Funke Baumhaus für Aufsehen gesorgt.
Die jüngste Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes “Stella” durch das Ensemble Histriones Dorsten unter der Regie von Thomas Boos hat im Cornelia Funke Baumhaus für Aufsehen gesorgt. Bild: Anke Klappsing-Reich

Hier nun setzte das Ensemble „Histriones Dorsten“ um Regisseur Thomas Boos am vergangenen Sonntag in einer vom Publikum begeistert aufgenommenen Aufführung im Cornelia-Funke-Baumhaus an.

Lucie im Zentrum: Eine neue Perspektive auf Goethes “Stella” durch die Augen der Jugend

Tochter Lucie, bei Goethe eher Nebenfigur, rückt in den Fokus. Die selbstbewusste Tochter, die den Liebesnöten ihrer Eltern und denen der fast gleichaltrigen Stella cool-distanziert gegenübersteht, wird in der Inszenierung zur zusätzlichen Hauptfigur.

Was macht das Erwachsenenverhalten mit den Kindern? Bei Boos wird das Problem zu einer Tatbeteiligung Lucies am Tode ihres Vaters Fernando. Ob sie ihm die Pistole für den Selbstmord nur bringt oder ihn selbst tötet, lässt die Inszenierung offen.

Die jüngste Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes "Stella" durch das Ensemble Histriones Dorsten unter der Regie von Thomas Boos hat im Cornelia Funke Baumhaus für Aufsehen gesorgt.
Die jüngste Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes “Stella” durch das Ensemble Histriones Dorsten unter der Regie von Thomas Boos hat im Cornelia Funke Baumhaus für Aufsehen gesorgt. Bild: Anke Klappsing-Reich

Zwei Frauen, durch die Liebe zu einem Mann zweifelhaften Charakters von diesem abhängig, werden in ihrem traditionellen Rollenverständnis durch die junge Tochter in Frage gestellt.

Starke Darstellungen: Die schauspielerische Kunst hinter den komplexen Charakteren von “Stella”

Dominik Held spielt den Fernando in hohem Maße präzise und differenziert. Als entscheidungsschwacher Macho schafft er es dennoch verständlich zu machen, warum sowohl Ehefrau als auch Geliebte ihn lieben und verstehen.

Luna Marie Rosemann, entsagende Gattin in der schwierigen Position einer „schönen Seele“, gelingt es gekonnt, Cäcilie glaubwürdig zu interpretieren.

Die jüngste Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes "Stella" durch das Ensemble Histriones Dorsten unter der Regie von Thomas Boos hat im Cornelia Funke Baumhaus für Aufsehen gesorgt.
Die jüngste Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes “Stella” durch das Ensemble Histriones Dorsten unter der Regie von Thomas Boos hat im Cornelia Funke Baumhaus für Aufsehen gesorgt. Bild: Anke Klappsing-Reich

Schauspielerischer Flexibilität bedarf es ebenso für Noomi Weißelberg, die ihre Doppelrolle als zupackende bodenständige Postmeisterin wie als Fernandos selbstbewusste, manchmal fast kupplerische Verwalterin souverän meistert.

Beeindruckende Leistungen: Die emotionale Tiefe und moderne Interpretation von “Stella”

Thalina Elvira Trapp beeindruckt gefühlstief als Stella. Schwankend zwischen leisen und dramatischen Tönen in Freude und Verzweiflung zieht sie das Publikum in ihren Bann.

Daneben behauptet sich Lucie (erfrischend emanzipiert, aber unprätentiös von Lisa Möllmann dargestellt). Sie stützt so den Deutungsansatz der Boos`schen Inszenierung; die das Stück nicht nur in die Gegenwart rückt, sondern dramatisch zuspitzt.

Die jüngste Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes "Stella" durch das Ensemble Histriones Dorsten unter der Regie von Thomas Boos hat im Cornelia Funke Baumhaus für Aufsehen gesorgt.
Die jüngste Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes “Stella” durch das Ensemble Histriones Dorsten unter der Regie von Thomas Boos hat im Cornelia Funke Baumhaus für Aufsehen gesorgt. Bild: Anke Klappsing-Reich

Die Vorstellung runden Emil Seppi als Inspizient und (nahezu beschäftigungsloser) Souffleur sowie – zuständig für die Technik – Christoph Terwey ab.

Spannung und Fortsetzung: Was erwartet die Zuschauer nach dem dramatischen Höhepunkt von “Stella”?

Gern erführe man, wie’s nach Lucies letztem Satz ihrer Mutter gegenüber („Mein Vater ist tot…Er liegt in seinem eigenen Blut. Geh nicht dahin, Mama“) mit den beiden weitergehen könnte.

Weiter geht’s mit Aufführungen dieser hochinteressanten Inszenierung am 20. und 21. Juni um 19.00 Uhr im Baumhaus. Ein Gastspiel in der Zeche Zollverein in Essen folgt am 22.6. um 18.00 Uhr.

Bertold Hanck

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